HIV-positiv und im Gesundheitswesen tätig – wie umgehen mit Fragen Arbeitgebender

Bildauschnitt Krankenwagen mit Blaulicht
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Ein Interview mit Rechtsanwalt Jacob Hösl

Menschen mit HIV, die im Gesundheitswesen tätig sind, können mit der Offenlegung ihres HIV-Status konfrontiert werden: Sei es, dass HIV-Tests im Bewerbungsverfahren oder bei betriebsärztlichen Untersuchungen „angeboten“ werden, dass sie Gesundheitszeugnisse vorlegen müssen, die die „Freiheit von ansteckenden Erkrankungen“ attestieren oder Zusatzvereinbarungen zum Arbeitsvertrag unterschreiben sollen, die sie verpflichten, Infektionserkrankungen ihren Vorgesetzten und den Arbeitgeber_innen mitzuteilen. Im Folgenden werden einige Fragen aus der aktuellen Beratungspraxis dargestellt und durch Rechtsanwalt Jacob Hösl beantwortet und juristisch bewertet.

Lieber Jacob, HIV-Tests in Einstellungsuntersuchungen oder die Frage nach der HIV-Infektion an Pflegekräfte und oder Ärzt_innen - was ist juristisch überhaupt zulässig?

Vorausschicken möchte ich, dass in der Bundesrepublik ca. 7000 Personen mit einer HIV-Infektion im Gesundheitswesen in unterschiedlichsten Bereichen arbeiten. Welchen Umfang Einstellungsuntersuchungen haben und ob insbesondere ein HIV-Test gefordert oder nach einem HIV-Status gefragt werden darf, hängt nicht von der Berufsbezeichnung ab, sondern von der konkret von der Person ausgeübten oder auszuübenden Tätigkeit in dem jeweiligen Bereich.

Fragen nach dem Gesundheitszustand oder einer Infektionskrankheit oder entsprechende Testverfahren dürfen bei einer Einstellungsuntersuchung nur insoweit eine Rolle spielen, als dies für die konkret ausgeübte oder auszuübende Tätigkeit relevant ist. Dies ist nur bei Tätigkeiten der Fall, die mit Risiken für Dritte verbunden sein können. Diese Tätigkeiten nennt man „verletzungsträchtige Tätigkeiten“. In der Empfehlung der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung von Viruserkrankungen und der Gesellschaft für Virologie zum Einsatz HIV-positiver Mitarbeitender im Gesundheitswesen werden diese genauer beschrieben: Einschränkungen gibt es nur bei bestimmten chirurgischen Tätigkeiten, wie z.B. dem Operieren im beengten Operationsfeld mit schlechter Sichtkontrolle. Für diese Situation wird empfohlen, dass die Viruslast unter der Nachweisgrenze sein und mit doppelten Handschuhen gearbeitet werden soll. Für die Bewerber_innen heißt das: liegt die Tätigkeit in einem Bereich mit Risiken, zum Beispiel der Unfallchirurgie, ist die Frage nach einem HIV-Status oder die Durchführung eines HIV-Tests im Rahmen der Einstellungsuntersuchung zulässig. Ist das nicht der Fall, darf eine solche Frage nicht gestellt und eine entsprechende Untersuchung nicht durchgeführt werden.

Die Probleme ergeben sich allerdings aus der Praxis, da zahlreiche Arbeitgeber_innen im Gesundheitsbereich generell nach einer HIV-Infektion fragen oder einen HIV-Test wünschen. Mit anderen Worten: den HIV-Status wissen wollen.

Wie sollen sich Menschen verhalten, wenn sie mit Fragen konfrontiert werden? Dürfen sie „Nein“ bei der Frage nach einer bestehenden HIV-Infektion ankreuzen? Mit welchen Konsequenzen müssen sie rechnen, wenn die HIV-Infektion später bekannt wird?

Wie gesagt, es kommt auf die Tätigkeit an, um die es geht. Hier müssen sich die Betreffenden je nachdem, was für Arbeiten sie ausführen, erkundigen und gegebenenfalls mit ihren HIV-Schwerpunktärzt_innen beraten. In allen Fällen, in denen keine risikoträchtigen Tätigkeiten ausgeführt werden, und das sind bei weitem die meisten, steht den Mitarbeitenden das von den Arbeitsgerichten entwickelte „Recht zur Lüge“ zu. Ganz generell beinhaltet dieses Recht zur Lüge die Möglichkeit, Fragen wahrheitswidrig zu beantworten, die die Arbeitgebenden nicht stellen dürfen, weil diese für die Stelle nicht relevant sind. Dabei spielt es keine Rolle, ob dies mündlich oder schriftlich erfolgt. Wenn die Arbeitnehmer_innen in einem solchen Fall rechtmäßig „gelogen“ haben, können hieraus keine Konsequenzen erwachsen. Sollte dies doch der Fall sein, kann man sich erfolgreich bei einem Arbeitsgericht dagegen wehren.

Für die Ausbildung im Pflegebereich werden Bewerber_innen häufiger aufgefordert, ein Gesundheitszeugnis vorzulegen. Damit müssen Hausärzt_innen bestätigen, dass die Personen „frei von ansteckenden Erkrankungen und Suchterkrankungen“ sind und „physisch und psychisch in der Lage ist, im Pflegebereich zu arbeiten“. Dürfen Arbeitgeber_innen ein solches, doch sehr allgemeines Gesundheitszeugnis verlangen? Was darf erfragt werden?

Der Ausbildung zur Pflegekraft hat zum Ziel, die „Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Krankenschwester, Krankenpfleger etc.“ zu erlangen. Neben dem erfolgreichen Abschluss der Ausbildung gibt es auch persönliche Voraussetzungen, die die Betreffenden erfüllen müssen. Hierzu zählt nach den gesetzlichen Vorschriften, dass die Auszubildenden psychisch und physisch der Ausbildung und späteren Berufsausübung gewachsen sind und insbesondere nicht an einer „Suchterkrankung“ leiden. Hintergrund ist, dass Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, im Rahmen ihrer Tätigkeit mit Medikamenten und unter Umständen suchterzeugenden Stoffen, wie Opiaten etc., in Berührung kommen.

Ähnlich verhält es sich bei psychischen Erkrankungen. Mitarbeitende im Gesundheitswesen, insbesondere Pflegekräfte, können zum Beispiel auch in der Psychiatrie oder vergleichbaren Einrichtungen tätig werden. Hier hält der Gesetzgeber es für erforderlich, dass der Betreffende nicht selbst psychisch erkrankt ist. Allerdings geht es hier um tatsächliche psychische Leiden mit Krankheitswert und nicht um Stimmungsschwankungen, vorübergehende Krisen oder ähnliches. Bereits die Zulassung zur Ausbildung setzt voraus, dass das Ausbildungsziel erreichen werden kann, d.h. dass auch bei Beginn der Ausbildung die Voraussetzungen in persönlicher Hinsicht vorliegen müssen. Allgemeine Fragen, die diese Punkte berühren, sind bei Beginn der Ausbildung zulässig. Daher müssen sie auch wahrheitsgemäß beantwortet werden.

Kommen wir zu der Aussage, dass die Bewerber_innen keine ansteckenden Erkrankungen haben dürfen. Können Ärzt_innen dies für Menschen mit HIV unterschreiben?

Bei einer bestehenden HIV-Infektion fällt es Ärzt_innen häufig schwer, pauschal zu attestieren, dass ihr_e Patient_in „frei von ansteckenden Krankheiten“ ist, denn rein medizinisch betrachtet liegt ja eine Infektionskrankheit vor.

Eine solche Auskunft muss allerdings unter dem Blickwinkel des Arbeitsrechts und der ausgeübten oder angestrebten Tätigkeit gesehen werden. Die Fragestellenden möchten wissen, ob von den Auszubildenden ein Infektionsrisiko für Dritte ausgeht. Weitere Aspekte sind für die Ausbildung oder die Tätigkeit nicht relevant. Wird eine solche Frage im Zusammenhang mit einer Ausbildung gestellt, so dürfen Ärzt_innen zulässigerweise hinzudenken „frei von ansteckenden Krankheiten, die die Ausübung der Tätigkeit (oder die Ausbildung) wegen Risiken für Dritte ausschließen.“

Auszubildende der Krankenpflege üben im Rahmen ihrer Ausbildung keine Tätigkeiten aus, die zu den sogenannten verletzungsträchtigen Tätigkeiten gehören. Rechtlich ist es also für Ärzt_innen unbedenklich, wenn trotz Vorliegen einer HIV-Infektion ein Attest zu unterschreiben, das Freiheit von ansteckenden Krankheiten ausweist. Eine Strafbarkeit für Ärzt_innen scheidet per se aus. Ungeachtet der Frage, ob die Bescheinigung „richtig“ ist, setzt die Strafbarkeit voraus, dass ein solches Zeugnis über den Gesundheitszustand gegenüber Behörden oder einer Versicherung abgegeben wird (§ 278 StGB). Da dies bei Arbeitgeber_innen nicht der Fall ist, greift die Strafvorschrift nicht ein.

Auch eine zivilrechtliche Haftung der Mediziner_innen ist ebenfalls nicht denkbar. Zunächst setzt diese voraus, dass es zu einer Infektion eine_r Patient_in durch eine HIV-positive Pflegekraft gekommen ist. Schon dies ist bei realistischer Betrachtung auszuschließen. Außerdem fehlt es für die zivilrechtliche Haftung an der Kausalität zwischen Gesundheitszeugnis und Infektion. Entweder wäre es aufgrund eines Verstoßes gegen Hygienevorschriften zu einer HIV-Infektion gekommen oder es handelt sich um einen Unfall, d.h. ein nicht planbares, unvorhersehbares Ereignis. Beides steht mit dem Gesundheitszeugnis nicht in ursächlichen Zusammenhang. Das von Ärzt_innen ausgestellte Gesundheitszeugnis, das die HIV-Infektion nicht ausweist, wird nicht kausale Ursache für die Infektion eines Patienten sein. Auch sonstige Schadensersatzansprüche bestehen nicht. Arbeitgeber_innen haben gegenüber der ausstellenden Ärzt_in keinen Anspruch, da sie keinen wirtschaftlichen Schaden haben. Die Pflegekraft steht mit ihrer Arbeitskraft zur Verfügung.

Trotzdem haben viele Ärzt_innen Vorbehalte, solche pauschalen Atteste auszustellen, wenn eine HIV-Infektion bei den Betreffenden vorliegt. In diesem Fall kann von einem gegebenenfalls von Arbeitgeber_innen vorformulierten Formular abgewichen werden, Ärzt_innen können eine eigene von ihnen vertretbare Formulierung verwenden. Eine weitere Möglichkeit haben Betroffene, indem sie sich von dem für sie zuständigen Gesundheitsamt eine entsprechende Eignungsbescheinigung ausstellen lassen. Die Gesundheitsämter prüfen bei der ärztlichen Untersuchung zu Beginn der Ausbildung im Krankenpflegebereich in der Regel nicht, ob eine HIV-Infektion vorliegt oder nicht. Arbeitgebende vertrauen Bescheinigungen der Gesundheitsämter meist mehr als solchen durch die behandelnden Ärzt_innen. Wenn es trotzdem zu Problemen kommt, muss sich der Betreffende individuell beraten lassen.

Ist die Frage nach der HIV-Infektion nicht eine Diskriminierung, auch im juristischen Sinne nach allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz?

Eine Relevanz für das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz kann nur entstehen, wenn eineInfektionskrankheit dauerhaft vorliegt, d.h. chronisch verläuft. Menschen mit HIV sind über das Merkmal der „Behinderung“ durch das AGG geschützt. Behinderung setzt einen dauerhaften Zustand voraus. Dies trifft auf die HIV-Infektion zu. Bezüglich anderer Infektionskrankheiten greift das AGG nicht. Dadurch wird die allgemein gehaltene Frage nach Infektionskrankheiten also nicht unzulässig. Allerdings besteht die Berechtigung, die HIV-Infektion nicht anzugeben, wenn sie für die Tätigkeit nicht relevant ist. Dies habe ich oben dargestellt. Wie gesagt, der Umgang mit der eigenen HIV-Infektion im Verhältnis zu Arbeitgebenden und deren entsprechenden Nachfragen ist nicht immer ganz leicht.

Insgesamt ist es mit Sicherheit sinnvoll, Arbeitgeber_innen im Gesundheitswesen darauf hinzuweisen, dass HIV bei Mitarbeitenden kein Ausschlussgrund für deren Beschäftigung ist. Es wäre natürlich wünschenswert, wenn gerade Arbeitgebende im Gesundheitswesen, die sich ja eigentlich auskennen müssten, hier eine sachorientierte Herangehensweise pflegen würden. In den Fällen, in denen das nicht so ist, macht es durchaus Sinn, mit Unterstützung der Aidshilfen Arbeitsgebende zu sensibilisieren.

Diagnosen gehen Arbeitgeber_innen ja bekanntlich nichts an und auch Betriebsärzt_innen unterliegen der Schweigepflicht. Es gibt Kliniken, die Arbeitnehmende in zusätzlichen Vereinbarungen zum Arbeitsvertrag unterschreiben lassen, dass sie Infektionserkrankungen Vorgesetzten und/oder der Klinikleitung mitteilen müssen. Wie schätzt Du dieses Vorgehen ein und was kann gegen solche Vereinbarungen unternommen werden?

Erst einmal ist es richtig, dass Betriebsärzt_innen der Schweigepflicht unterliegen. Krankheitsbezogene Informationen dürfen den Arbeitgebenden nicht mitgeteilt werden. Die Schweigepflicht ist nur insoweit eingeschränkt, als die Betriebsärzt_innen den Arbeitgebenden mitteilen können, ob die Mitarbeiter_in die Tätigkeit ausüben kann bzw. diese nur mit Einschränkungen ausführen kann. Dabei sind Betriebsärzt_innen an anerkannte medizinische Erkenntnisse gebunden und dürfen nicht eigene Einschätzungen oder Befürchtungen an deren Stelle setzen. Hier möchte ich einfügen, dass eine medikamentös gut eingestellte HIV-Infektion ohne andere Komplikationen keinerlei Einschränkungen, etwa wegen eines angeblich eingeschränkten Immunsystems, für die Berufsausübung in allen medizinischen Bereichen mit sich bringt.

Die oben angesprochenen Zusatzvereinbarungen, die eine eigene Mitteilungspflicht von Arbeitnehmenden gegenüber Arbeitgebenden begründen sollen, müssen zunächst richtig gelesen bzw. interpretiert werden. Mit solchen Vereinbarungen wollen Arbeitgebende sicherstellen, dass die Arbeitnehmer_innen bei Auftreten einer Infektionskrankheit während des Beschäftigungsverhältnisses diese auch dann mitteilt, wenn sie außerhalb einer Regeluntersuchung durch die Betriebsärzt_in auftritt.

Das Recht auf die Frage oder auf das „Nachmelden“ einer Infektionskrankheit besteht nur dann, wenn ein Risiko für andere Personen, Kolleg_innen oder Patient_innen, durch die regelmäßige Ausübung der Tätigkeit bestehen würde. Nur bei solchen Infektionskrankheiten haben Arbeitgebende Anspruch auf Kenntnis, weil sie auch verpflichtet sind, andere vor Infektionskrankheiten zu schützen. Bei einer ganzen Reihe von Infektionskrankheiten wird so eine Aufklärungspflicht zulässigerweise bestehen. Man denke nur an eine Salmonelleninfektion oder ähnliches. Entscheidend ist, ob ein Risiko für andere besteht. Bei HIV ist dies bis auf die bereits angesprochenen verletzungsträchtigen Tätigkeiten im chirurgischen Spezialfall nicht der Fall.

Wie sollen sich Menschen mit HIV verhalten, wenn sie eine solche Vereinbarung vorgelegt bekommen?

Wie eingangs dargestellt, kommt es grundsätzlich auf die ausgeübte Tätigkeit an. Wenn diese nicht mit Risiken für Dritte verbunden ist, können die Betreffenden eine solche Vereinbarung problemlos unterschreiben, obwohl sie HIV-positiv sind. Wird die HIV-Infektion im Verlauf des Beschäftigungsverhältnisses erst festgestellt, bestehen aber aufgrund der konkreten Tätigkeit unter keinem Gesichtspunkt Risiken für Patient_innen (oder Kolleg_innen), ist die Person auch dann nicht verpflichtet, die HIV-Infektion mitzuteilen. Dies gilt auch, wenn sie eine solche Zusatzvereinbarung unterschrieben hat.

Was soll man tun, wenn im gesundheitlichen Eignungsverfahren eine Schweigepflichtentbindung des Hausarztes dem Betriebsarzt gegenüber unterschrieben werden soll?

Das ist tatsächlich eine knifflige Situation. Mit einer allgemein gehaltenen Schweigepflichtentbindungserklärung dürfen Betriebsärzt_innen nämlich sämtliche gesundheitlichen Umstände der Betreffenden bei den Hausärzt_innen abrufen. In der konkreten Situation ist es gerade im Bewerbungsverfahren schwierig, den Wunsch nach einer solchen Schweigepflichtentbindungserklärung abzulehnen, da Mitarbeitende meist nicht den Eindruck erwecken möchte, dass sie etwas zu verbergen hätten. Allerdings haben Betriebsärzt_innen grundsätzlich keinen Anspruch hierauf, denn sie müssen die für das Beschäftigungsverhältnis relevanten medizinischen Feststellungen grundsätzlich selbst treffen, d.h. ohne Hilfe von außen. Das Abfragen von medizinischen Informationen bei Hausärzt_innen dient lediglich der Arbeitserleichterung.

Für den Umgang mit dem Wunsch nach einer Schweigepflichtentbindungserklärung gibt es verschiedene Möglichkeiten:

Zunächst kann man eine solche Erklärung natürlich abgeben. Informationen, die Hausärzt_innen dann den Betriebsärzt_innen zukommen lassen, unterliegen wiederum der Verschwiegenheitspflicht. An die Arbeitgebenden gehen sie nicht. Auf die Verschwiegenheit der Betriebsärzt_innen dürfen Mitarbeitende auch vertrauen. Gegebenenfalls bietet sich bei diesem Vorgehen an, die Betriebsärzt_innen noch einmal ausdrücklich auf die Verschwiegenheitspflicht gegenüber den Arbeitgebenden hinzuweisen.

Andererseits sind die Mitarbeiter_innen nicht verpflichtet, eine solche Schweigepflichtentbindungserklärung zu unterschreiben. Wenn sie das nicht möchten, ließe sich das auch gut mit dem Hinweis begründen, dass eine solche umfassende oder allgemeine Schweigepflichtentbindung zu weit reicht, als sie für das Arbeitsverhältnis erforderlich wäre. Aus der Weigerung, eine solche Schweigepflichtentbindungserklärung abzugeben, dürfen Betriebsärzt_innen keine Schlüsse ziehen. Sie dürfen insbesondere nicht daraus schließen, dass Betreffende für die Stelle aus gesundheitlichen Gründen nicht geeignet sind. In dieser Variante müssen die Betriebsärzt_innen eben die für die Stelle relevanten medizinischen Feststellungen durch eigene Untersuchungen treffen.

Eine weitere Möglichkeit ist, entweder eine eigene Schweigepflichtentbindungserklärung zu formulieren oder eine vorformulierte etwa durch einen handschriftlichen Zusatz zu ergänzen. In den Zusatz könnte man die Entbindung von der Schweigepflicht einschränken. Dies könnte man zum Beispiel durch die Formulierung erreichen: „die Schweigepflichtentbindung gilt nur in dem Umfang, in dem die konkrete medizinische Information für die Beurteilung der Eignung für die auszuübende oder ausgeübte Tätigkeit erforderlich ist.“ Insgesamt sollten alle Betroffenen im Auge behalten, dass eine einmal erklärte Schweigepflichtentbindung nicht für immer und ewig gelten muss. Sie kann jederzeit einseitig durch die betreffenden Patient_innen widerrufen oder eingeschränkt werden.

Im Verhältnis zu Arbeitgebenden, und das gilt auch für solche im Gesundheitsbereich, sollte man aus meiner Sicht versuchen, die anstehenden Fragen und Probleme nicht immer durch die Brille „HIV“ zu sehen. Während man selbst aufgrund der eigenen HIV-Infektion gedanklich hierauf immer einen Fokus hat, ist dies für Arbeitgebende erst einmal gar nicht relevant. Arbeitgebende oder auch eine dazwischen geschaltete Betriebsärzt_in geht erst einmal von jemanden aus, der „gesund“ und ganz normal arbeitsfähig ist. Meist wird sie gar nicht an HIV denken. Ihr ist nur daran gelegen, Risiken abschätzen und soweit als möglich ausschließen zu können.

Da HIV bis auf ganz wenige Bereiche auch für Tätigkeiten im Gesundheitswesen nicht relevant ist, darf man es so behandeln, wie alle anderen persönlichen Umstände, die die Arbeitgeber_innen nichts angehen. In den wenigen Grenzfällen, wenn man sich unsicher ist, ob die Tätigkeit mit Infektionsrisiken verbunden sein kann, sollte man Rat einholen. Hier wären die ersten Ansprechpartner_innen die behandelnden HIV-Ärzt_innen. Für Tätigkeiten im Gesundheitswesen bei Vorliegen einer HIV- bzw. HCV-Infektion haben die virologischen Fachverbände Empfehlungen veröffentlicht. Diese Empfehlungen geben bereits eine ganze Reihe von hilfreichen Informationen.

Lieber Jacob, ganz herzlichen Dank für das Interview.

Bei Diskriminierung kannst Du Dich an die Kontaktstelle der Deutschen Aidshilfe gegendiskriminierung@dah.aidshilfe.de oder an Deine regionale Aidshilfe wenden.