Beratung bei Diskriminierung im Arbeitskontext

Zwei Handpaare

Der Großteil der Menschen mit HIV in Deutschland ist erwerbstätig. Ein Berufsverbot für Menschen mit HIV gibt es nicht, sie können jeden Beruf ausüben. Dennoch gibt es immer noch Diskriminierung, Vorurteile oder unnötige Angst vor Ansteckung.

Der Flyer aus dem Projekt #positivarbeiten richtet sich an Menschen mit HIV und an Arbeitgeber*innen. Er kann kostenlos auf aidshilfe.de/shop bestellt werden.

Die Frage nach dem HIV-Status oder ein HIV-Test bei Einstellungsuntersuchungen ist in den meisten Fällen nicht erlaubt. Arbeitgebende dürfen nur nach gesundheitlichen Einschränkungen fragen, die sich auf die angestrebte Tätigkeit beziehen. Für die allermeisten Arbeiten spielt HIV keine Rolle, sodass eine Frage nach dem HIV-Status auch nicht wahrheitsgemäß beantwortet werden muss. 

Erfolgt eine Kündigung aufgrund der HIV-Infektion, kann eine Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vorliegen. Schnelle Beratung und anwaltliche Unterstützung ist in einem solchen Fall wichtig, um keine Fristen zu versäumen. 

Beratung und Unterstützung bieten die Kontaktstelle der Deutschen Aidshilfe, Aidshilfen vor Ort und die Antidiskriminierungsstellen.

Freie Berufswahl

Menschen mit HIV können jeden Beruf ausüben, im Berufsalltag besteht keine Infektionsgefahr. Das gilt auch für ärztliche oder zahnärztliche Einrichtungen, in der Pflege und Versorgung, in der Gastronomie und Lebensmittelindustrie sowie in der Betreuung von Kindern, Jugendlichen und anderen. Die üblichen Hygiene- und Arbeitsschutzmaßnahmen bieten sicheren Schutz.

Auflagen gibt es nur für Chirurg*innen, die besonders verletzungsträchtige Tätigkeiten ausführen. Dafür soll laut Empfehlung die Viruslast des Menschen mit HIV unter der Nachweisgrenze von 50 Viruskopien pro ml sein und mit doppelten Handschuhen gearbeitet werden.

Laut § 43 Infektionsschutzgesetz braucht jede in der Gastronomie oder Lebensmittelverarbeitung beschäftigte Person eine Bescheinigung des Gesundheitsamts. Dazu ist keine Untersuchung, sondern nur die Teilnahme an einer „Belehrung“ erforderlich. Die Gesundheitsämter bieten dafür Termine an. Menschen mit HIV bekommen diese Bescheinigung problemlos – ein HIV-Test ist hier nicht vorgesehen.

Falls zum Job Reisen in Länder gehören, in denen es Einreisebeschränkungen für Menschen mit HIV gibt, sollten Arbeitnehmer*innen gemeinsam mit Arbeitgeber*innen eine Lösung finden.

Keine Fragen zu HIV und kein HIV-Test

Alle Arbeitnehmer*innen haben ein Recht auf den Schutz ihrer Privatsphäre. Dazu gehören auch persönliche Gesundheitsinformationen. Die Frage nach einer HIV-Infektion darf nur gestellt werden, wenn sie für die ausgeübte Tätigkeit relevant ist. Das ist bei fast keinem Beruf der Fall, einzige Ausnahme sind besonders verletzungsträchtige chirurgische Tätigkeiten. Arbeitnehmer*innen haben sogar ein „Recht zur Lüge“: Sie dürfen Fragen wahrheitswidrig beantworten, die Arbeitgeber*innen gar nicht stellen dürfen, weil sie für die Stelle nicht relevant sind. 

Ein HIV-Test gehört nicht zur Einstellungsuntersuchung und auch nicht zu arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen. Zwar wird manchmal behauptet, ein (negativer) HIV-Test sei für bestimmte Arbeitsbereiche notwendig, zum Beispiel in der Kranken-, Alten-, Kinder- und Jugendpflege oder auch bei Labortätigkeiten. Dies ist aber nicht richtig. Da HIV im Arbeitsalltag nicht übertragen werden kann, haben selbst „freiwillige“ HIV-Tests hier nichts zu suchen – im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses kann ein solcher Test auch nie freiwillig sein. 

Betriebsärzt*innen dürfen auch keine Diagnosen an Arbeitgeber*innen weitergeben. Sie dürfen lediglich mitteilen, ob Arbeitnehmer*innen für ihre Tätigkeiten geeignet sind oder nicht. Wenn Sie sich nicht daran halten ist das ein Verstoß gegen den Datenschutz oder sogar die Schweigepflicht.

Übrigens: Auch Arbeitsagenturen und Jobcenter dürfen potenzielle Arbeitgeber*innen nicht über die HIV-Infektion von Arbeitssuchenden informieren.

Was kannst du tun, wenn es zu Diskriminierung kommt?

Gute erste Anlaufstellen sind die örtlichen Aidshilfen. Auch in der Kontaktstelle HIV-bezogene Diskriminierung können wir dich dazu beraten. Wir überlegen dann gemeinsam, was sinnvolle Schritte sind und an wen sich eventuelle Beschwerden richten.

Wer im Arbeitszusammenhang diskriminiert wurde, kann dagegen klagen. Nach dem AGG besteht zwar kein Anspruch auf Einstellung, Weiterbildung oder Aufstieg, aber gegebenenfalls auf Schadensersatz oder finanzielle Entschädigung. Auch hierfür ist eine Beratung sinnvoll.

Wenn Arbeitgeber*innen von Diskriminierung erfahren, sind sie verpflichtet, betroffene Mitarbeiter*innen vor weiterer Diskriminierung zu schützen und geeignete Maßnahmen zur Beseitigung von Diskriminierung zu ergreifen, etwa durch Abmahnung, Versetzung oder Kündigung diskriminierender Personen und durch strukturelle Änderungen.

Arbeitgebende haben nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz sogar die Pflicht, eine Beschwerdestelle für die Mitarbeitenden einzurichten.

Was können Arbeitnehmer*innenvertretungen tun?

Um Diskriminierung im Arbeitsumfeld anzusprechen, können Gewerkschafter*innen, Betriebs- oder Personalrät*innen, Gleichstellungsbeauftragte oder Schwerbehindertenvertretungen wichtige Anlaufstellen für Menschen mit HIV sein. Da für sie eine Schweigepflicht gegenüber Arbeitgeber*innen und anderen Beschäftigten gilt, können sie Ratsuchenden einen sicheren Raum bieten.

Darüber hinaus können sich Arbeitnehmer*innenvertretungen dafür einsetzen, dass die Arbeitgeber*innen die Erklärung „Respekt und Selbstverständlichkeit: Für einen diskriminierungsfreien Umgang mit HIV-positiven Menschen im Arbeitsleben“ (Deklaration #positivarbeiten) unterzeichnen.

Was können Arbeitgeber*innen tun?

Arbeitgeber*innen können ein respektvolles Klima fördern, das allen zugutekommt. Sie können aufklären, Offenheit signalisieren und sich gegen Diskriminierung positionieren.

Außerdem können Arbeitgeber*innen

  • die Deklaration #positivarbeiten unterzeichnen und 
  • die darin enthaltenen Grundsätze lebendig werden lassen
  • sich über HIV informieren, Informationsmaterial zur Verfügung stellen, zum Beispiel kostenlos im Shop der DAH 
  • Schulungen und Fortbildungen anbieten
  • Leitlinien und Betriebsvereinbarungen erarbeiten, die Bedürfnisse von Menschen mit chronischen Erkrankungen berücksichtigen, wie z. B. flexible Arbeitszeiten.
Offen HIV-positiv am Arbeitsplatz

Sich am Arbeitsplatz als HIV-positiv zu outen, kann entlastend sein. Ein „positives Coming-out“ kann Selbstbewusstsein vermitteln und die Erfahrung ermöglichen, so akzeptiert zu werden, wie man ist. Außerdem kann es entspannend wirken, keine Angst mehr zu haben, dass etwas „herausrutscht“, wenn es um persönliche Themen geht.

Die Reaktionen und Einstellungen anderer lassen sich allerdings nur bedingt beeinflussen. Oft sind sie besser als erwartet. Dennoch sind auch negative Reaktionen möglich.

Nicht alle Menschen mit HIV können oder wollen deshalb im Job offen mit ihrer Infektion umgehen. Nur Menschen mit HIV selbst entscheiden, ob, wann, mit wem und wie sie darüber sprechen.

Viele Menschen, die offen mit ihrer HIV-Infektion umgehen wollen, gehen schrittweise vor. Sie schaffen sich erst einen sicheren Ort, zum Beispiel in einer Beziehung, Freundschaft oder Familie. Anschließend ziehen sie damit immer weitere Kreise. Dabei schöpfen sie aus positiven Reaktionen bei den ersten Coming-out-Erlebnissen.

Wer sich mit Gedanken zum Outing am Arbeitsplatz beschäftigt, kann von der Erfahrung und dem Wissen vieler anderer profitieren. Selbsthilfeorganisationen und -gruppen bieten Unterstützung und praktischen Rat. Eine Liste der Selbsthilfekontakte findet sich hier.

GUT ZU WISSEN

  • Bei Einstellungsuntersuchungen darf kein HIV-Test verlangt und nicht nach HIV gefragt werden – hiervon gibt es nur ganz wenige Ausnahmen.
  • Niemand muss Arbeitgeber*innen und Kolleg*innen von einer HIV-Infektion erzählen.
  • HIV ist im alltäglichen Miteinander nicht übertragbar, auch nicht im Job. Für Vorgesetzte, Kolleg*innen, Kund*innen und betreute Personen besteht keine Übertragungsgefahr.
  • Ein offener Umgang mit HIV kann entlastend sein.