Beschwerden bei Diskriminierung im Gesundheitswesen
Viele Menschen mit HIV haben schon einmal Diskriminierung im Zusammenhang mit einer medizinischen Behandlung oder in der Pflege erlebt.
Oft erhalten Patient*innen aufgrund vorgeblicher oder tatsächlicher Hygienevorschriften nur den letzten Behandlungstermin am Tag. Manchmal werden auch völlig unnötige Maßnahmen ergriffen, zum Beispiel das Tragen von zwei Paar Handschuhen oder die Desinfektion der gesamten Flächen im Raum einschließlich des Fußbodens. Einigen wird eine Behandlung sogar komplett verweigert. Das musst du nicht hinnehmen!
Die Grafik aus der Dokumentation des Forschungsprojekts Positive Stimmen 2.0 zeigt die negativen Erfahrungen, die Menschen mit HIV im Gesundheitswesen gemacht haben. Um nur drei Zahlen hervorzuheben: Über ein Drittel der Menschen gibt an, dass ihre Krankenakte besonders markiert wurde, mehr als jede*r Fünfte beschreibt, dass sie nicht in die reguläre Terminvergabe aufgenommen wurden und 10 Prozent der Menschen wurde sogar eine Gesundheitsleistung verweigert.
- Was sind unnötige Schutzmaßnahmen?
„Besondere Hygienemaßnahmen“, die manche Praxen oder Krankenhäuser bei Menschen mit HIV anwenden, entsprechen nicht den allgemein anerkannten fachlichen Standards. Darauf weist z. B. das Robert Koch-Institut hin. Grundsätzlich gilt: Da der Infektionsstatus von Patient*innen unbekannt sein kann, müssen bei allen Patient*innen die Maßnahmen der Basishygiene angewendet werden. Es ist vollkommen unnötig, HIV-Positive nur zu Randzeiten oder in einem eigenen Raum zu behandeln, den ganzen Raum zu desinfizieren oder zwei Paar Handschuhe zu tragen.
Sollte es zu Arbeitsunfällen, z.B. Stich oder Schnittverletzungen mit kontaminierten Instrumenten kommen, gibt es Vorschriften zu Sofortmaßnahmen, die das medizinische Personal zum Eigenschutz ergreifen kann, um eine Ansteckung zu verhindern. Dazu kann auch eine Postexpositionsprophylaxe (PEP) gehören.
Welche Maßnahmen angebracht sind und welche nicht, kannst du in der Broschüre „Keine Angst vor HIV!“ oder „Keine Angst vor HIV, HBV und HCV!“ nachlesen, die es für die Behandlung in der ärztlichen Praxis, im Krankenhaus sowie bei dem*der Zahnärzt*in gibt.
- Deine Rechte
Die medizinische Ethik verlangt, alle Patient*innen mit dem gleichen Respekt und der gleichen Fürsorge zu behandeln. Man darf dir keine schlechtere Versorgung anbieten oder dir eine Behandlung verweigern – es sei denn, sie würde deiner Gesundheit schaden. Du hast ein Recht darauf, dass deine Ärzt*innen dir erklären, was zu deinem Wohl ist und was nicht, um auf dieser Basis eine gemeinsame Entscheidung treffen zu können.
Außerdem gilt strikter Datenschutz: Niemand darf Dritte, zum Beispiel Versicherungen oder deine Arbeitgeber*innen, über deine HIV-Infektion informieren – es sei denn, du hast dazu deine Einwilligung erteilt.
Wir haben die Informationen dazu in der Broschüre „Deine Rechte im Gesundheitswesen“ zusammengefasst.
- Was kannst du tun?
Kommt es zu einer Diskriminierung im Gesundheitsbereich, kannst du die Diskriminierung direkt ansprechen – hier kann eine Begleitperson hilfreich sein. Außerdem kannst du eine schriftliche Beschwerde schreiben, z.B. an den*die Praxisinhaber*in(nen), die ärztliche Leitung des Krankenhauses oder die Pflegeeinrichtung.
Eine weitere Möglichkeit ist es, eine Beschwerde an die Landesärztekammer oder die Landeszahnärztekammer zu richten. In dem Schreiben sollte deutlich werden, wann die Diskriminierung passiert ist, worin sie bestand und wer eventuell anwesend war. Wir können dich bei diesen Schritten unterstützen.
Damit medizinisches oder pflegerisches Personal der Kammer Auskunft geben kann, musst du sie von der Schweigepflicht gegenüber der Kammer entbinden. Nach einer Beschwerde holt die Kammer eine Stellungnahme des Arztes*der Ärztin ein und prüft, ob ein Verstoß gegen die Berufsordnung vorliegt. Das Ergebnis wird dir mitgeteilt.
Bei einer Behandlungsverweigerung durch niedergelassene Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen kannst du auch eine Beschwerde an die Kassenärztliche Vereinigung des jeweiligen Bundeslandes richten.
Durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) werden Menschen auch im Gesundheitswesen vor Diskriminierung geschützt. Wichtig ist, dass innerhalb von zwei Monaten Ansprüche nach dem AGG gefordert werden. Weitere Informationen haben die Aidshilfen vor Ort und die Kontaktstelle. Du kannst deinen Fall auch der Antidiskriminierungsstelle des Bundes melden, die Unterstützung anbietet.
„Beschwerden bei Ärztekammern sind wichtig. So werden sie darüber informiert, wo die Versorgung von Menschen mit HIV nicht gut läuft und wie viel Fortbildungsbedarf noch besteht“. Kerstin Mörsch, Leitung Kontaktstelle HIV bedingte Diskriminierung der DAH
GUT ZU WISSEN
- Die Standard-Hygienemaßnahmen reichen im Umgang mit Menschen mit HIV völlig aus.
- Beschwerden bei der Landesärztekammer oder den Kassenärztlichen Vereinigungen der Bundesländer müssen meistens per Post eingereicht werden. Einige Kammern bieten auch Beschwerdeformulare auf ihrer Internetseite an.
- Beschwerden über Zahnärzt*innen gehen an die Landeszahnärztekammer oder die Kassenzahnärztliche Vereinigung.
- Datenschutz- und Schweigepflichtverstöße können auch den Datenschutzbehörden gemeldet werden.
- Lass dich beraten und über Beschwerdemöglichkeiten und weitere rechtliche Schritte informieren.