Peer-to-Peer-Befragung

Zentraler Bestandteil des Projekts waren die Peer-to-peer Interviews: Menschen mit HIV interviewen Menschen mit HIV zu ihren Erfahrungen mit Stigmatisierung und Diskriminierung. Dieses Modul war die Umsetzung des internationalen Projekts PEOPLE LIVING WITH HIV (PLHIV)-Stigma-Index in Deutschland. Dafür wurden 33 Menschen mit HIV als Peer-Forscher*innen und Interviewer*innen geschult. Von Mai 2020 bis Januar 2021 haben sie die Erfahrungen von insgesamt 450 Menschen mit HIV erfasst. 

"positive stimmen 2.0" war die zweite Umsetzung des PLHIV-Stigma-Index in Deutschland. Die Ergebnisse der ersten Auflage (2012) waren zentral für die Entwicklung und Weiterentwicklung der Antidiskriminierungsarbeit und haben die Beteiligten und die Communities gestärkt.

Die Prinzipien

Den GIPA-Prinzipien (GIPA: Greater Involvment of People Living with HIV and Aids, d.h. größere Beteiligung von Menschen mit HIV und Aids) folgend, sind es Menschen mit HIV, die in dem Projekt Prozessverantwortung tragen, so z.B. vor allem bei der Dokumentation der Stigmatisierungserfahrungen. Dazu werden sie zu so genannten Peer Researchern ausgebildet, also Forschenden, die sich mit Themen auseinandersetzen, die sie selbst betreffen. Der Peer-Research-Ansatz soll zum einen zu einem besseren gegenseitigen Verständnis in der Interviewsituation beitragen. Zum anderen soll die Möglichkeit für die interviewte Person gegeben sein, über die interviewende Person Anknüpfung zu einem eigenen weiteren Engagement zu finden: seien es Kontakte zum Beratungssystem oder zu Initiativen der Selbstorganisation.

Nicht zuletzt soll das Projekt als Möglichkeit der Interessenvertretung genutzt werden. Sowohl der Prozess an sich, in dem Menschen mit HIV sich selbst des Themas annehmen, als auch die Ergebnisse, die Formen der Stigmatisierung aufzeigen, sollen Argumente liefern, um sich gegenüber Politik und (Fach-)Öffentlichkeit für die Belange von Menschen mit HIV einsetzen zu können.

Peer Forschung

Der englische Begriff „peers“ lässt sich mit Ebenbürtige oder Gleichgestellte bzw. Menschen einer „Bezugsgruppe“ übersetzen. Von peer research oder Peer-Forschung wird gesprochen, wenn Menschen, die eine bestimmte Erfahrung sehr gut kennen, andere Menschen, die diese Erfahrung ebenfalls kennen, zu dieser Erfahrung interviewen bzw. eine Forschung zu dieser Erfahrung weitgehend mitgestalten. Das kann etwa die Erfahrung sein, im Gefängnis gewesen zu sein, die Erfahrung, Drogen gebraucht zu haben, oder auch die Erfahrung, einer bestimmten Form von Diskriminierung ausgesetzt zu sein. Die Erfahrung kann sich auch auf eine bestimmte, möglicherweise auch zugeschriebene Identität beziehen, beispielsweise als schwuler Mann, als lesbische Frau, als trans* Person, als Migrant*in usw. Diese Form der Forschung steht im Gegensatz zu einer auch als traditionell bezeichneten Forschung, bei der die ausgebildeten Forschenden meist eine große Distanz zum Forschungsthema haben. In der Peer-Forschung hingegen werden Menschen einer bestimmten Bezugsgruppe, die meist keine Forschungsausbildung oder -erfahrung mitbringen, als Peer-Forscher*innen ausgebildet.

Wichtige Merkmale des Peer-Forschungsansatzes sind

  1. die Teilnahme und Teilhabe jener, deren (Er-)Leben im Mittelpunkt der Forschung steht,
  2. ein aktivismusorientierter Ansatz, in dem die erhobenen Daten der Verbesserung der Situation dieser Menschen dienen, und
  3. das Empowerment der an der Forschung beteiligten Menschen der Bezugsgruppe.

Bei "positive stimmen" zeigen sich diese Merkmale darin, dass

  1. HIV-positive Menschen in Form des Beirats, der Interviewenden und der Interviewten die zentrale Rolle bei der Gestaltung der Forschung spielen,
  2. die Datenerhebung dem Zweck dient, die Situation und die verschiedenen Formen von Diskriminierung und Stigmatisierung von HIV-positiven Menschen besser zu verstehen, um Ansätze zu entwickeln, diese Situation nachhaltig zu verändern,
  3. der Empowerment-Ansatz eine zentrale Rolle spielt: Umgesetzt wird er vor allem durch die Einbeziehung der Peer-Forscher*innen und ihre Ausbildung zu Interviewenden. Die Interviewenden wiederum geben dieses Empowerment bei den Interviews weiter – unter anderem mit Hilfe des Fragebogens, der nicht nur Informationen abfragt, sondern auch Informationen zur Verfügung stellt.

In diesem Video erklärt die Sozialwissenschaftlerin und Beirätin bei positive stimmen 2.0 Prof. Dr. Hella von Unger, was gute partizipative Forschung ausmacht.

Peer-Interviewer*innen berichten

Unter diesem Link ist ein Interview von zwei Peer-Forscher*innen nachzulesen.

In diesem Video berichten außerdem fünf Interviewer*innen von ihren vielfältigen Erfahrungen und beschreiben, was das Projekt für sie persönlich bedeutet hat:

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